0-1 Jahr Beikost Charakterstark

BEI­KOST: BEI-WAS?

By on 4. Dezember 2017

[6 Minu­ten — durch­schnitt­li­che Lese­zeit]

Erst ein­mal muß­te ich nach der Geburt von Vik­tor ein neu­es Wort ler­nen „Bei­kost“. Ich gebe es offen zu: Ich hat­te von Bei­kost noch nie gehört. Daher kurz für Dich, wenn Du genau­so rudi­men­tä­re Kennt­nis­se besitzt, wie ich anfangs: Bei­kost ist eigent­lich schlicht und ergrei­fend Kost also Essen (anfangs meist in Brei­form).

Man sagt zu Bei­kost des­halb BEI-KOST, da sie zur Milch­nah­rung par­al­lel also neben­bei ange­bo­ten wird. Also kein Ersatz, son­dern eine Ergän­zung. Inter­es­san­ter­wei­se habe ich vie­le Eltern ken­nen­ge­lernt, die irr­tüm­lich glau­ben, dass die Bei­kost dazu dient, mög­lichst schnell die Milch­nah­rung zu erset­zen. Das stimmt jedoch nicht: Die Haupt­nah­rungs­quel­le im ers­ten Lebens­jahr des Zwer­ges ist Milch.

50 Pro­zent lan­det im Schna­bel – 50 Pro­zent auf Klei­dung, Boden und Co.

Wir waren abso­lut eupho­risch, als es soweit war und wir end­lich mit Brei statt Milch star­ten konn­ten. Vik­tor haben wir recht früh (ca. 5,5 Mona­te) sei­nen ers­ten Pas­ti­na­ken-Brei ange­bo­ten, da wir Mit­leid mit ihm hat­ten. Er starr­te der­ma­ßen gie­rig auf unse­re Mahl­zei­ten, dass wir ihm schnellst­mög­lich etwas geben woll­ten. Da er immer ein guter Esser war, kata­pul­tier­te ihn der ers­te Brei nach dem ers­ten Löf­fel ins Para­dies – auch wenn das Para­dies nach der Ver­kös­ti­gung recht ver­kle­ckert aus­sah. Gut, es sah aus, als wäre eine Essens­bom­be ein­ge­schla­gen. Luft­ho­len und Losprus­ten, Jubeln, Schlu­cken, Hän­de, die mit dem Löf­feln in den Mund muß­ten – das alles waren die Aus­lö­ser für eine Men­ge Brei rund um sei­ne Wip­pe, in der wir ihn anfangs füt­ter­ten. Wir lern­ten, wie man die Umge­bung (wei­ßer Tep­pich, hel­le Bodys) mit Müll­tü­ten, Küchen­tü­chern, Lätz­chen und Mol­ton­tü­chern vor­ab sicher­te, um den Scha­den zu mini­mie­ren. Ins­be­son­de­re Früh­ka­rot­ten hin­ter­lie­ßen künst­le­ri­sche, farb­ech­te Mus­ter, die bis heu­te einen Tep­pich und schmü­cken.

Als nach eini­gen Wochen Getrei­de­brei mit Apfel­mus hin­zu­ka­men, war sowohl sein Leben als auch sein Bauch­um­fang auf dem Höhe­punkt.

Selbst­ge­koch­ter oder gekauf­ter Brei?

Ein inter­es­san­tes Phä­no­men war auch, dass Vik­tor wie vie­le ande­re Zwer­ge selbst­ge­koch­ten Brei nicht ansatz­wei­se so ver­lo­ckend fand wie gekauf­te Gläs­chen. Und wir haben uns wirk­lich red­lich Mühe gege­ben: nur Bio­pro­duk­te (logo, ist der Erst­ge­bo­re­ne) und gemixt, was das Zeug hält. Ich pro­bier­te sogar alles wage­mu­tig und muss sagen: Es schmeckt alles gleich fade. Denn ohne Salz und Zucker ist Essen eben der hal­be Spaß. Gut, weiß der Frisch­ling ja nicht. #NochNicht

Also seid nicht all­zu trau­rig, wenn euer Kind das selbst­ge­mach­te Essen ver­schmäht und bei den gekauf­ten Gläs­chen freu­de­strah­lend den Schna­bel öff­net.

Übri­gens ver­gesst gleich Trick 17 mit: Ich fül­le ein­fach selbst­ge­mach­ten Brei in Gläs­chen, damit die Optik stimmt. Bringt gar nichts. Doof sind die Knirp­se näm­lich nicht. Die mer­ken das sofort.

Bei­kost ab wann?

Ansons­ten wird von der WHO (Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on) emp­foh­len, dass Bei­kost je nach Kind nicht spä­ter als zu Beginn des 7. Lebens­mo­nats und nicht vor dem Beginn des 5. Monats gege­ben wer­den soll. Der Start von Bei­kost ist jedoch nicht gleich­be­deu­tend mit Abstil­len, son­dern ledig­lich eine Ergän­zung des Stil­lens durch Nah­rung bis zum Ende des ers­ten Lebens­jah­res und dar­über hin­aus. Ich könn­te Dir jetzt natür­lich mit dem Argu­ment kom­men, dass das in ande­ren Län­dern anders gehand­habt wird. Aber dann kom­men wie­der Argu­men­te zum The­ma höhe­re Sterb­lich­keits­ra­te, All­er­gie­ri­si­ko etc.

In Deutsch­land wird eine eher sche­ma­ti­sche, stu­fen­wei­se Ein­füh­rung emp­foh­len. Was natür­lich wenig über­rascht: Wir Deut­schen sind halt sehr kor­rekt. Erst den Gemü­se-Kar­tof­fel-Fleisch­brei, danach den Getrei­de-Obst-Brei und abschlie­ßend den abend­li­chen Getrei­de-Milch-Brei. Was ich auch nicht wuß­te: in einem 190 Gramm Gläs­chen soll­ten 8–10 Gramm Fett ent­hal­ten sein. Ist dar­in weni­ger, sollst Du Öl zusätz­lich rein­rüh­ren. Ein Tee­löf­fel Öl ergibt 4–5 Gramm Fett. Am Bes­ten nimmst Du raf­fi­nier­tes Raps­öl. Oft liest man, dass man zu Fleisch-Brei Saft ein­rüh­ren soll. Das musst Du nicht, denn 1. wird dar­über gestrit­ten, wel­cher Saft über­haupt dafür der Rich­ti­ge wäre und 2. tun es ein paar Löf­fel­chen Obst­brei nach der Haupt­mahl­zeit als Nach­tisch auch.

Manch ein Kind isst begeis­tert — ande­re jedoch wol­len ihrem Fläsch­chen nicht adieu sagen. Sie essen wenig und dadurch sind die Eltern manch­mal ver­un­si­chert. Unnö­ti­ger­wei­se, denn die opti­ma­le Baby­nah­rung im ers­ten Jahr ist und bleibt Milch. Also blei­be locker, denn Dein Zwerg hat sein eige­nes Tem­po. Du wirst mitt­ler­wei­le gemerkt haben, dass Du nicht mehr so viel zu pie­pen hast, wenn es um den Wil­len Dei­nes Kin­des geht. #Gewöh­ne­Di­ch­Lie­ber­Dran

Wel­che Lebens­mit­tel soll­tet ihr anfangs mei­den?

Fol­gen­de Lebens­mit­tel soll­ten im ers­ten Lebens­jahr und teil­wei­se auch dar­über hin­aus kein Bestand­teil der Bei­kost sein:

• Kuh­milch
• rohe Eier und Roh­milch (Gefahr wegen Sal­mo­nel­len)
• Honig (kann Botu­li­n­um­bak­te­ri­en ent­hal­ten)
• Nüs­se (Ersti­ckungs­ge­fahr)
• Salz (belas­tet die Nie­ren)
• Quark (zu viel Eiweiß, das die Nie­ren belas­tet)
• künst­li­che Süß­stof­fe
• kalt­ge­press­tes Öl
• roher Fisch
• rohes Fleisch

Unge­eig­net sind dar­über hin­aus:

• blä­hen­de Nah­rungs­mit­tel wie Lin­sen, Boh­nen, Erb­sen,
• Blatt­sa­la­te (kön­nen nur unzu­rei­chend gekaut wer­den)
• Pil­ze (rei­chern Schad­stof­fe an und sind schwer ver­dau­lich)
• Zwie­bel
• Kohl

Spek­ta­ku­lä­res Expe­ri­ment mit Wai­sen­kin­dern

Zudem fand ich ein sehr span­nen­des wis­sen­schaft­li­ches Expe­ri­ment von der Kin­der­ärz­tin Cla­ra Davis aus dem Jahr 1926.

Bei die­sem Expe­ri­ment beka­men aus­ge­wähl­te Wai­sen­kin­der zu jeder Mahl­zeit ein Tablett mit zehn Spei­sen und zwei Geträn­ken aus einem Sor­ti­ment von über drei­ßig ver­schie­de­nen Nah­rungs­mit­teln. Zur Aus­wahl stan­den unter ande­rem Äpfel, pürier­te Ana­nas, Toma­ten, geba­cke­ne Kar­tof­feln, gekoch­ter Wei­zen, Mais, Hafer, Rog­gen, gehack­tes gekoch­tes Rind­fleisch, Kno­chen­mark, Hirn, Leber, Nie­ren, gehack­ter Fisch, Eier, Salz, Was­ser, ver­schie­de­ne Sor­ten Milch und Oran­gen­saft.

Die 15 Kin­der im Alter zwi­schen sechs Mona­ten und vier­ein­halb Jah­ren durf­ten frei aus­wäh­len. Sie durf­ten auch mit den Fin­gern essen, ohne dass die Manie­ren kom­men­tiert oder kor­ri­giert wer­den durf­ten, wie es in der Stu­die hieß. Am Anfang tauch­ten eini­ge Kin­der das gan­ze Gesicht in die Scha­len.

Nach jeder Mahl­zeit wur­de exakt abge­wo­gen, wie viel die Kin­der von wel­chen Spei­sen geges­sen hat­ten und was dane­ben gegan­gen ist.

Die Resul­ta­te waren phä­no­me­nal

Obwohl sich die Kin­der nicht nach den Gebo­ten von Eltern und Kin­der­ärz­ten ver­hiel­ten, ent­wi­ckel­ten sie sich völ­lig nor­mal. Sie zeig­ten kei­ne Man­gel­er­schei­nun­gen, lit­ten weder an Bauch­schmer­zen noch an Ver­stop­fung.

Das Expe­ri­ment lief über meh­re­ren Jah­re. Nach unge­fähr 37 500 ser­vier­ten Mahl­zei­ten zeig­te sich: Die Zusam­men­stel­lun­gen der ein­zel­nen Kin­der unter­schie­den sich enorm und waren geprägt von Vor­lie­ben für spe­zi­el­le Pro­duk­te. Es gab Kin­der, die vier Bana­nen nach­ein­an­der aßen oder sie­ben Eier. Einen Drei­jäh­ri­gen film­te Davis, wie er als Des­sert 450 g Lamm­fleisch ver­schlang.

Gene­rell nah­men die Kin­der viel mehr Früch­te, Fleisch, Eier und Fett zu sich, als Kin­der­ärz­te damals emp­fah­len, und weni­ger Getrei­de und Gemü­se. Ein Mäd­chen aß wäh­rend des Expe­ri­ments drei Jah­re lang nur ca. ein Kilo­gramm Gemü­se. Spi­nat wur­de von fast allen Kin­dern ver­schmäht. Ähn­lich unpo­pu­lär waren Kohl und Kopf­sa­lat.

 Die Kom­bi­na­tio­nen von Spei­sen, die die Kin­der zu sich nah­men, waren “der Alb­traum jedes Ernäh­rungs­wis­sen­schaft­lers”, wie Davis sich aus­drück­te. Ein Früh­stück konn­te aus einem hal­ben Liter Oran­gen­saft und etwas Leber bestehen. Was aus­sah wie ein ernäh­rungs­wis­sen­schaft­li­ches Cha­os, stell­te sich jedoch bei genaue­rer Betrach­tung als sinn­vol­le Ernäh­rung her­aus: Die Men­gen an Pro­te­in, Fett und Koh­len­hy­dra­ten lagen näm­lich im Rah­men der übli­chen Wer­te.

Alle Kin­der wuch­sen nor­mal, waren gesund (alle Blut­wer­te lagen im Norm­be­reich) und es tra­ten kei­ne Man­gel­er­schei­nun­gen auf. Kein Kind war dick oder dünn. Ärz­te beschei­nig­ten den Kin­dern sogar einen über­durch­schnitt­lich guten Gesund­heits­zu­stand.

Die­ses Expe­ri­ment hat gezeigt, dass Kin­der offen­bar ganz instink­tiv und intui­tiv wis­sen, was ihnen gut tut — also kannst Du Dich in Bezug auf die Bei­kost ein­fach von Dei­nem Kind lei­ten las­sen.

Wich­tig ist zu sagen, dass die Aus­wahl aus­schließ­lich aus unver­ar­bei­te­ten, unge­würz­ten und unge­zu­cker­ten Nah­rungs­mit­teln bestand: kein Brot, kei­ne Sup­pen, kei­ne Süßig­kei­ten. Davis hat­te beab­sich­tigt, einen Ver­such mit ver­ar­bei­te­ten Spei­sen zu machen, doch sie erhielt kei­ne Mit­tel dafür. Was her­aus­ge­kom­men wäre, kann man heu­te in jeder Fast­food-Ket­te beob­ach­ten.

Inter­es­san­te Links, wenn Du mehr zu dem The­ma erfah­ren möch­test:

Ein Arti­kel über „So füh­ren Sie die Bei­kost ein“ bei Baby und Fami­lie: https://www.baby-und-familie.de/Beikost/Uebersicht-So-fuehren-Sie-die-Beikost-ein-163073.html

Arti­kel über „Stil­len und Bei­kost“ im Ärz­te­blatt: https://www.aerzteblatt.de/archiv/180178/Stillen-und-Beikost

Bild­nach­weis: Flickr |PB&J Sandwich|Donnie Ray Jones
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