WIE ERKLÄRE ICH MEINEM KIND DEN TOD: IST MADITA JETZT IM HIMMEL?
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Viktor mussten wir recht früh den Unterschied zwischen Leben und Tod erklären. Ein Kind, dass er kannte starb an einer schweren Krankheit und für uns kam es nicht in Frage ihn anzulügen. Doch auch wir standen unter Schock und konnten mit ihm nicht ohne Tränen im Gesicht über das kleine Mädchen sprechen.
Aber wie kann man einem Zwerg im Kleinkindalter den Tod einer vertrauten Person erklären? Eines ist klar: Es ist egal, ob es ein Trauerfall in der Familie oder im Freundeskreis ist: Gutgemeinte Märchen sind hier nicht gefragt, sondern Ehrlichkeit. Denn es ist eine wichtige Erfahrung, die Dein Kind machen muss. Lasse Dein Kind auch an Deinen Emotionen teilhaben. Kinder möchten in allen Bereichen ernst genommen und respektvoll behandelt werden – auch bei einem schweren Thema wie dem endgültigen Tod.
Du kannst Deinem Kind den Umgang mit Sterben und Tod nicht ersparen. Du kannst es auch nicht vor den Schattenseiten des Lebens beschützen. Kinder auf den möglichen Verlust von Freunden und Angehörigen vorzubereiten, bedeutet immer auch, sich als Vater oder Mutter selbst den eigenen Defiziten im Umgang mit diesem Thema zu stellen. Seien wir ehrlich: Wir versuchen so wenig wie möglich darüber nachzudenken.
Was soll ein Kind denken, wenn es von Dir Sätze hört wie „Der Uropa schläft jetzt“ oder „Er ist jetzt an einem besseren Ort“? Automatisch kommen Rückfragen wie „Wieso schläft er? Kann man ihn auch wieder wecken? Wenn ich heute Abend einschlafe, wache ich dann morgen auch nicht mehr auf? Ist der Ort, an dem ich mich jetzt befinde, schlecht?“
Die Zwerge sind schlau und wissbegierig. Also Vorsicht vor voreiligen, gutgemeinten Erklärungen.
Hier noch ein paar Klassiker, die Du besser meiden solltest: „Er darf sich jetzt ausruhen“ und „Er ist von uns gegangen.“ Der Tod ist weder ein gemütliches Sofa, auf dem man entspannt sitzt und seinen Himmelsdackel Waldi füttert. Noch ist es ein Wellnessurlaub, zu dem man kein Rückflugticket gekauft hat.
Einem Kind hilft Klarheit wie zum Beispiel, dass der Körper (das Äußere/die Hülle) im Sarg auf dem Friedhof liegt. Und das, was den Uropa/einen Menschen ausmacht (die Seele) an einem anderen Ort ist. Die Vorstellung, wo dieser Ort ist und wie es dort aussieht, ist ganz individuell. Frage Dein Kind, was es selbst darüber denkt, bevor Du Dein Bild davon vorgibst.
Der dänische Familientherapeut und Bestsellerautor Jesper Juul hat es in einer Kolumne so formuliert: „Kinder sollten alles über den Tod erfahren dürfen, um ihn als Tatsache des Lebens zu begreifen. Das gibt ihrem Leben eine neue Perspektive und vermittelt ihnen ein tieferes Verständnis der Wirklichkeit.“
Wie kann man in der Familie Gefühlen und Gedanken Ausdruck verleihen?
In Momenten der Trauer oder dem anstehenden Tod, kann man zum Beispiel über die schönsten Momente mit dem Uropa erzählen. Aber auch über wichtige Krisen und Erfahrungen mit ihm. Wenn es zu schwer fällt, sich persönlich zu verabschieden, können alle in der Familie symbolisch einen Brief schreiben und ihn später gegenseitig vorlesen. Kleinere Kinder können etwas malen oder basteln (auch mit einem Foto der Person), das als Symbol für ihre schönen Erinnerungen oder auch ihre Traurigkeit steht.
Es ist sehr wichtig, dass man vor allem auch darüber spricht, was beim Begräbnis geschehen wird. In den Monaten nach dem Tod ist es elementar, den Uropa in der Familie „am Leben zu erhalten” und über ihn zu sprechen. Ein Foto von ihm aufzustellen hilft dabei, ihn weiterhin im Alltag einzubinden.
Der Prozess der Trauer von Deinem Kind unterscheidet sich sehr von Deinem: Du erlebst oft eine lange Zeit der Traurigkeit. Dein Kind dagegen erlebt Trauer in Wellen. Dein Zwerg spielt in einem Moment noch, lacht oder streitet sich, finden sie sich im nächsten mitten in ihrem Trauerprozess wieder. Die Traurigkeit kommt quasi aus dem Nichts und verschwindet nach einiger Zeit wieder. Du solltest dann Deine Aufmerksamkeit auf die Gefühle Deines Kindes richten, ihm eine Schulter zum Weinen anbieten und in Ruhe mit ihm darüber sprechen.
Altersspezifische Unterschiede:
Bis 4 Jahren: Bis zum 3–4. Lebensjahr begreifen kleine Kinder nicht die Endgültigkeit des Todes. Kognitiv wie auch erlebnisorientiert ist dieses vom kindlichen Vorstellungsvermögen ausgeschlossen. Ihr Erleben ist es vielmehr: „Ich werde zum Kindergarten gebracht – und wieder abgeholt. Mama geht zur Arbeit – und kommt wieder“. Dass ein Elternteil das Haus verlässt und nicht zurückkehrt, ist in der Regel nicht der Fall. Tod und Trauer müssen Kinder letztendlich am eigenen Körper erfahren und sich damit auseinandersetzen.
Ab dem 4. Lebensjahr: Jetzt fangen Kinder an, Fragen zum Tod zu stellen. Sie sind durch den Gedanken an den Tod nicht emotional betroffen, eher neugierig und interessiert. Haben sie es in ihrem engsten Umfeld nicht erlebt, glauben Kinder vorerst, nur andere sterben. Erfahren Kinder, dass auch Eltern sterben können, ist manchmal die Sorge um Wohnung, Essen und Trinken größer, als der mögliche Verlust von Mamas körperlicher Nähe.
Spätestens mit 6 Jahren: Nun hat jedes Kind Kontakt mit dem Tod gehabt, sei es durch den Tod in der Familie, bei einem Haustier, der toten Maus im Garten oder Nachrichtenmeldungen von Katastrophen, Kriegen und Verbrechen. In diesem Alter beginnen laut Jesper Juul die „ersten philosophischen Auseinandersetzungen“ mit dem Tod.
Ab 10 Jahren: Die Endgültigkeit des Todes, den biologischen Tod, haben Kinder meist mit spätestens 10 Jahren verstanden und begriffen.
Kindgerechte Informationen sind ganz wichtig. Insbesondere, wenn Dein Kind mit zu einer Beerdigung genommen wird. Erkläre Deinem Kind vorher wie es dort aussieht, wie es sich anfühlt, was gemacht wird und warum.
Hier ein paar typische Nachfragen eines Kindes:
„Was ist, wenn der Uropa wieder aufwacht? Friert er denn nicht in dem kalten Sarg? Warum werfen die Leute Erde auf den Sarg? Was passiert, wenn man stirbt — kommt man dann in den Himmel? Wieso ist er gestorben? Kommt er niemals wieder? Kann ich und kannst Du auch sterben?“
Für Kinder ist es wesentlich, den Prozess des Sterbens als Schnittstelle zwischen Leben und Tod zu begreifen. Dass der tote Uropa nichts mehr riechen, essen, sehen und hören kann, dass er keine Schmerzen mehr hat und nicht friert, sind für Kinder wichtige Informationen, die sie in ihrer Trauerarbeit einordnen können. So ist der Satz „Gott hat den Opa zu sich geholt“ für Kinder im Prinzip zu abstrakt.
Sei bei den Antworten aufrichtig zu Deinem Kind. Kinder spüren sehr genau, wenn wir ihnen etwas verheimlichen oder ihnen nicht die Wahrheit sagen. Es ist besser, ehrlich zuzugeben, dass man selbst keine Erklärung oder Antwort hat. Und – vergesse nicht: Dein Verhalten prägt das Deines Kindes. Wenn Du selbst ein „schwieriges Verhältnis“ mit Tod und Sterben hast, wird sich das sehr deutlich auf Dein Kind übertragen.
Und zum guten Schluss noch ein paar Fragen, über die Du einfach mal nachdenken kannst, denn einige dieser Sätze wirst Du sicherlich irgendwann von Deinem Zwerg gestellt bekommen:
· Warum stirbt man überhaupt?
· Hat man etwas falsch gemacht?
· Kann ich mir erfolgreich wünschen, nicht zu sterben oder dass ein anderer stirbt?
· Sterben wirklich alle? Passiert das jedem, also auch mir?
· Ist der Tod endgültig oder nur eine Phase?
· Wie ist es tot zu sein? Was macht man dann?
· Womit kann man „tot sein“ vergleichen?
Wie sagt Jesper Juul so schön „Traurigkeit ist ein notwendiger Teil des Lebens, sozusagen der untrennbare Zwilling des Glücklichseins. Noch wichtiger ist es, dass Eltern ein Vorbild für ihre Kinder sind. Wenn wir als Eltern unsere essenziellen Gefühle vor unseren Kinder verstecken, laufen wir Gefahr, dass sich unsere Kinder von ihren Gefühlen distanzieren.“
In diesem Sinne…Lasse Dein Kind immer wieder an Deinen Emotionen teilhaben. Dadurch eignet es sich etwas sehr wichtiges an: Lebenskompetenz.
Für Madita: Ruhe in Frieden, kleine Seele. Tausend Dank für jeden Regenbogen, den Du uns schickst. Wir vermissen Dich.