URLAUBSGRÜSSE VOM GECHILLTEN KIND: REISEN LEICHT GEMACHT
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Ob ich nicht gerne nach Asien oder Amerika reise und dort Urlaub mache?! (*) Klar, nur aktuell etwas, sagen wir, schwierig. Da erzählen einem kinderlose Paare, dass man die Zeit vor der Schule nutzen solle, da man finanziell ja ansonsten echt die A-Karte hätte, wenn man in der Hauptsaison fliegen müsse…
Bis zum ersten Lebensjahr fanden wir das Ganze auch noch easy. Aber seitdem hat sich da irgendwie einiges verändert. Denn der neue Faktor (Viktor) ist relativ klar und unmissverständlich, wenn es um seine Bedürfnisse und seinen idealen Urlaub geht. Und dieser inkludiert selten einen 10-Stunden-Flug, eine 8-Stunden-Autofahrt oder einen Städtetrip durch eine 9-Millionen-Einwohner-Stadt.
Urlaub. Eine einfache Sache, wenn man nur für sich verantwortlich ist. Sobald Du Kinder hast, bedeutet Urlaubsplanung vor allen Dingen Kompromisse. Erster Kompromiss: Wohin. Denn mit Zwergen reisen bedeutet im Flieger nach Thailand auch mal gerne 18 Stunden Stress (die Zeit am Flughafen inklusive Anreise zum Hotel) und so eine „Erfahrung“ würden die wenigsten Eltern mit Kleinkindern ein zweites Mal durchleben wollen. Zweiter Kompromiss: Mit wem. Auch hier verändert sich die Einstellung zu den eigenen (Schwieger-) Eltern deutlich, wenn es um Urlaub mit dem Nachwuchs geht.
Unser optimaler Urlaub (aus gegebenen Anlass)
Wir haben unsere Urlaubsziele mittlerweile klar eingegrenzt: Idealfall 2 Stunden Flugzeit, wir nehmen aber bis zu 5 Stunden in Kauf, wenn es um Flüge in der Winterzeit geht. Meine Schwiegereltern sind im Sommer immer mit von der Partie. Meist eine Woche. Wir überschneiden uns sozusagen. Sie starten eine Woche vor uns und wir bleiben 7–10 Tage länger. Für alle Beteiligten eine super Lösung. Lange Autofahrten: Nope. Auch hier gelten selbige Regeln. 2 Stunden ok bis maximal 5 Stunden erweiterbar. Aber nur in absoluten Ausnahmefällen oder für echte Highlights.
Kurztrips: Vor Viktor oft und gerne. Mittlerweile ungerne, da man meist genauso viel Aufwand hat für drei Tage, was die Packerei angeht, wie für eine entspannte Woche und länger. Also wofür den Stress. Zu Hause ist es dann tatsächlich lustiger, man hat mehr Zeit voneinander und kann lieber in der Umgebung Ausflüge unternehmen. Bei uns in der Ecke sind das Orte wie Irrland, Sealife, Zoom, Tretbootfahren am Unterbacher See, Eifelpark, Kettele Hof und Co.
Es gibt sicherlich Kinder, die sind vollkommen anders geartet und lieben die Hektik und das Reisen angeschnallt über viele, viele Stunden. Unser sperriger Nachwuchs gehört definitiv nicht zu dieser seltenen Spezies. Er ist aber (um fair zu bleiben) auch eher ein bewegungslustiger Geselle. Was Vor- aber auch Nachteile hat…Aber Kinder kommen ja selten nach jemand anderem, sodass ich durchaus nachvollziehen kann, wenn ihm die Decke auf den Kopf fällt, wenn es über einen längeren Zeitraum zu eintönig wird.
Drei Learnings über unser Kind im Urlaub:
1. Es kommt mit einem Gepäck an neuen Skills wieder nach Hause. Wie nach einer Krankheit scheinen die Zwerge in dieser Zeit einen Entwicklungsschub zu machen und bringen diese neu erworbenen Fähigkeiten mit. Bei uns waren es selbst Anschaukeln können, Ringe mit dem Fuß in ein Planschbecken transportieren während er mit dem Bauch auf der Schaukel liegt und schaukelt, Kindermeditation getestet und für gut befunden, Audible-Hörbücher entdeckt, festgestellt, dass Pferde zurück wiehern, wenn man den Berg runter wiehert…
2. Man sieht, wie viel Unterschied es für ein Kind macht, ob es unter einem gewissen Zeitdruck steht oder nicht. Und ich rede hier nicht über kleine Verhaltensunterschiede. Mitnichten. Ich rede über ein komplett neues Kind. Da wir täglich ungeplant in den Tag gestartet sind, gab es grundsätzlich nur eine Tagesaufgabe für alle: Zu überlegen, was wir abends essen und in welchem Restaurant. Für Viktor war die Entscheidung wichtiger, welche Spielmöglichkeiten die Umgebung des Restaurant bot, aber so kann man schließlich auch seine Restaurantwahl gestalten. Das war es an Planung. Viktor liebte es nach dem Aufstehen die Hüllen fallen zu lassen (konkret hieß das seinen Schlafanzug in eine Ecke zu pfeffern) und nackt den Tag zu begehen. Brot vom Tisch schnappen und ab nach draußen zum Spielen. Das Geschenk an uns dafür: ein gechilltes Kind. Kein Witz. Jeder Tag verlief würdevoll, entspannt und ohne Knatschen. Er fand einfach keinen Grund. Obwohl er wirklich ein Talent hat aus einer frischgeschlüpften Mücke einen ausgewachsenen Elefanten mit Stoßzähnen und allem zu machen. Und sei es, dass man die Butter zu dünn auf das Brot gestrichen hat oder den Apfel in seinen Augen völlig unsäglich zerschneidet. Oder man wagt es ihm kurz über die Haare zu streicheln ohne einen schriftlichen Antrag vorab bei ihm zu stellen und die Genehmigung C31 abzuwarten. Nichts davon geschah. 16 Tage lang.
3. Hörbücher sind keine Hörspiele. Wir haben uns immer gewundert, dass er zwar Hörspiele mochte, sich aber nicht wirklich darauf konzentrieren konnte. Bis zu diesem Urlaub. Wir hatten 5 Bücher von dem Drachen Kokosnuss dabei, aber nach Tag 10 hatten wir alle 5 täglich mindestens ein Mal vorgelesen und waren selbst sehr motiviert eine alternative Lösung zu finden. Aus Verzweiflung kauften wir ein Hörbuch bei Audible, hatten aber wenig Hoffnung, dass es für ihn wirklich eine Alternative war. Doch Wunder oh Wunder: es war eine. Und wie! Dadurch, dass es wirklich einen Vorleser gab, blieb Viktor die komplette Spieldauer wie angewurzelt auf seiner Liege sitzen, schaute den Berg runter und war komplett in seiner eigenen Welt. Danke Audible.
Alles in allem eine sehr gute Ausbeute an Neuerungen und Learnings
Ansonsten kann ich vermelden: Klar hätten wir auch mal wieder Lust auf Asien oder irgendwelche Städtetrips, aber so entspannt wie dieser Urlaub werden sie nie sein. Diese Langsamkeit und Leichtigkeit, die wir da gespürt haben, war einfach Weltklasse. Voller Energie konnten wir alle wieder in unseren Alltag starten.
(*) Man könnte mich genauso gut fragen, ob ich nicht gerne auf Festivals fahre. Äh, logo. Aber mit Family nö. Daher nur noch ein Mal im Jahr mit meinen Jungs für 3–4 Tage. Bis der Kleine älter ist. Dann kommt er natürlich mit. Aber bis dahin muss das reichen.