LOBHUDELEI TEIL 1: ICH BIN EIN LOB-JUNKIE
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Teil 1 von 4: Ich bin verrückt nach Lob und Anerkennung. Wirklich. Ich kann davon nicht genug bekommen. Es ist wie eine Motivationsdroge. Ich fühle mich bestätigt und dadurch kann mein ganzer Tag anders verlaufen. Irgendwie nervt es mich aber auch, dass ich es teilweise „brauche“ wie ein abhängiger Junkie. Was mich daran nervt? Ich ärgere mich, warum es mir manchmal nicht ausreicht, dass ich selbst mit meiner Leistung zufrieden bin.
Durch Instagram, Facebook und Co ist es natürlich leicht sich ein gewisses Publikum zu verschaffen, dem man etwas präsentiert und man direkt ein Feedback erhält.
Ist es gut sein Kind zu loben?
Ist es also ein natürliches Bedürfnis des Menschen gelobt werden zu wollen? Sollte es nicht eigentlich das Ziel sein, dass man Dinge für sich oder um ihrer selbst willen macht, da es einem z.B. Freude bereitet? Sprich eine intrinsische Motivation darstellt?
Die intrinsische Motivation ist die innere, aus sich selbst entstehende Motivation eines jeden Menschen: bestimmte Tätigkeiten macht man einfach gern, weil sie Spaß machen, sinnvoll oder herausfordernd sind oder einen schlicht interessieren. Intrinsisch motivierte Tätigkeiten werden – im Gegensatz zu extrinsischen Motiven – um ihrer selbst Willen durchgeführt und nicht, um eine Belohnung zu erlangen oder eine Bestrafung zu vermeiden. Dabei schließen sich intrinsische und extrinsische Motive nicht zwangsläufig aus. Ein Mitarbeiter kann z.B. seiner Arbeit sowohl aus Spaß an der Arbeit als auch dem Wunsch nach angemessener Bezahlung, Erfolg und Macht nachgehen.
Aber woher kommt es, dass einige Menschen so versessen sind nach Lob und Anerkennung und andere legen darauf überhaupt keinen Wert, sind aber trotzdem extrem motiviert? Liegt der Grund für das Ganze bereits in der Kindheit? Wenn man selbst ein Kind hat, fragt man sich dann natürlich: Ist es überhaupt gut, sein Kind zu loben und was passiert, wenn ich es übertreibe oder unterlasse?
Als Eltern will man den Nachwuchs selbstbewusst machen und anspornen. Das verführt dazu, dass man alles „großartig, toll, super und klasse“ findet. Es ist durchaus „gut gemeint“, aber leider kontraproduktiv, wie ich nach vielen Recherchen feststellen musste.
Lisa und ich haben Viktor anfangs für alles abgefeiert. Und mit ABFEIERN meine ich ABFEIERN. Großartig hast Du den Haufen gemacht, klasse hast Du Dein Bäuerchen auf meine Schulter gepfeffert, prima, wie Du die Rutsche auf dem Bauch runtergerutscht bist. Was ist übertriebenes Lob und gibt es einen Zeitpunkt im Leben eines Kindes, an dem man möglicherweise andere Formen der Anerkennung finden sollte?
Zu viel Lob verringert die Leistungsfähigkeit
Bei der Recherche bin ich auf den Effort –Effekt gestoßen. Dieses Phänomen besagt, dass zu viel Lob die Leistungsfähigkeit von Kindern sogar verringert. Da Lob so angenehm ist, kann es abhängig machen und zu einer Motivationsdroge werden.
Psychologen haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Erkenntnisse gewonnen, die vor allem einen Schluss zulassen: Zu viele Komplimente verringern die Leistungsfähigkeit der Kleinen.
Untersuchungen der US-Psychologin Carol Dweck von der Stanford-Universität zeigten die Auswirkungen von Lobeshymnen auf Schüler. In der Langzeitstudie wurde in verschiedenen Klassen der fünften Jahrgangsstufe jeweils ein Kind nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Diese Schüler sollten einen einfach zu lösenden Geschicklichkeitstest ausführen.
Anschließend teilte das Wissenschaftsteam den Kindern ihr Resultat mit – jedoch in unterschiedlicher Form. Gruppe A bekam als Feedback: „Du bist wirklich schlau.“ Gruppe B wurde gesagt: „Du hast dich offenbar wirklich angestrengt.“ Während den einen also hohe Intelligenz unterstellt wurde, betonte man bei den Anderen ihre Willensstärke und Leistungsfähigkeit.
In den zweiten Runde hatten die Fünftklässler die Wahl: Sie konnten sich freiwillig an einem schwierigeren Test versuchen oder an einem leichteren. Nun machte sich das unterschiedliche Feedback in der ersten Runde bereits bemerkbar. Von den Kindern, die nach dem ersten Test für ihre Anstrengung gelobt wurden, wählten 90 Prozent den schwierigeren. Wer für seine Intelligenz gelobt wurde, entschied sich meist für den leichteren Test.
„Wenn wir Kinder für ihre Intelligenz loben“, schrieb Dweck in ihrer Zusammenfassung, „lenken wir ihr Verhalten in bestimmte Bahnen.“ Dadurch entstehe bei ihnen Angst, Fehler zu machen und buchstäblich dumm dazustehen. Die Kinder in Dwecks Experiment wollten dieses Risiko vermeiden und wählten daher den leichten Test.
In der dritten Runde hatten die Schüler keine Wahl mehr. Sie erhielten absichtlich einen schwierigen Test, der eigentlich für Schüler der 7. Klasse waren. Das Scheitern war somit vorprogrammiert. Interessant war, dass die Kinder wieder unterschiedlich reagierten.
Wer zuvor Komplimente für seine Arbeitsmoral erhalten hatte, führte sein Scheitern auf eigenes Versagen zurück. Diese Schüler strengten sich im Test mehr an und überlegten sich verschiedene Lösungswege. Auch wenn sie scheiterten, hatten sie Spaß an der Denksportaufgabe.
Wie reagierte die Vergleichsgruppe der Kinder, der man vorab hohe Intelligenz unterstellt hatte? Sie nahmen das Scheitern zum Anlass ihre Intelligenz anzuzweifeln und gaben die Aufgabe nach kurzer Zeit ohne den Versuch andere Lösungswege zu testen schlecht gelaunt auf.
Besonders spannend fand ich die vierte Runde. Alle Schüler bekamen einen Test, der so leicht war wie der erste. Das Ergebnis: Die Kinder, die für ihren Fleiß gelobt worden waren, verbesserten sich im Vergleich zum Anfang des Experiments um etwa 30 Prozent. Den Schülern, denen Intelligenz unterstellt worden war, schnitten dieses Mal bis zu 20 Prozent schlechter ab. Anscheinend wirkte sich die zwischenzeitliche Neueinschätzung der eigenen Intelligenz nach dem Scheitern bei den vorherigen Aufgaben negativ auf die letzte Aufgabe bei ihnen aus.
Die Psychologin Carol Dweck hatte erwartet, dass sich das Lob negativ auswirken würde. Aber dass die Ergebnisse so deutlich ausfielen, war auch für sie überraschend. Sie nannte dieses Phänomen den Effort-Effekt: Nur wer seinen Kindern die Bedeutung von Anstrengung und Fleiß (englisch: Effort) vermittle, gebe ihnen „Kontrolle über ihr eigenes Handeln“. Wer hingegen nur die Intelligenz lobpreist, nimmt den Kindern diese Kontrolle. Beim ersten Misserfolg stürzt das Selbstbild dann wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Der Test wurde später weiter variiert und brachte wiederum bemerkenswerte Unterschiede hervor. Nach der Lösung der ersten Aufgabe wurde den Kindern angeboten, entweder zu erfahren, wie sie im Vergleich mit den anderen Kindern abgeschnitten hatten oder eine Lösungsstrategie für die nächste Aufgabe vorgestellt zu bekommen.
Gruppe A entschied sich überwiegend für den Vergleich, Gruppe B für die Lösungsstrategie. Während also die für ihre Intelligenz gelobten Kinder hauptsächlich daran interessiert waren, ihren Intelligenzstatus im Gruppenvergleich zu prüfen, war für die andere Gruppe wesentlich interessanter, wie die nächste Aufgabe besser gelöst werden kann.
Fazit:
Offensichtlich können sich bereits Feinheiten beim Loben tiefgreifend auf das Verhalten und die Bemühungen von Kindern auswirken. Wird betont, wie sehr sie sich angestrengt haben, motiviert sie das, da der Einsatz von ihnen aktiv steuerbar ist — während gelobte Eigenschaften eine statische Größe sind, die sie nicht oder nur in geringem Maß beeinflussen können.
Das Kind für seine Klugheit zu loben, führt — wie man an den Experimenten von Dweck sieht — scheinbar auch dazu, dass Kinder sich darauf ausruhen: “Ich bin klug, was soll ich mich dann groß anstrengen”. Mit Misserfolgen können solche Kinder dann oft schwer umgehen, da sie sie als Unvollkommenheit der eigenen Person empfinden und nicht als aktiv veränderbar ansehen.
Wie soll man also reagieren?
Wie Du siehst und auch ich feststellen musste: Dieses Thema ist wirklich extrem komplex und auf jeden Fall wert sich genauer damit zu beschäftigen. Man stellt als Eltern fest, dass man sehr viel häufiger lobt, als man annimmt und auch, dass es ganz oft mit der Absicht geschieht das Verhalten des Kindes in eine bestimmte Richtung beeinflusst werden soll. Manchmal geschieht es auch ganz nebenbei, dass man „klasse“ ruft, obwohl man gar nicht hingeschaut hat.
Aber was ist nun richtig? Wie soll man reagieren, wenn ein Kind zum Beispiel den Tisch abräumt, auf der Rutsche steht und einem zuruft oder ein Bild gemalt hat und einem dieses „Kunstwerk“ unter die Nase hält?
Ich werde in der nächsten Woche einen zweiten Teil dazu schreiben, der ganz konkrete Beispiele aus dem Alltag beinhaltet und Lösungsansätze bietet.