DER SCHNULLER: EINE HASSLIEBE
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Meine große Hassliebe: der Schnuller. Selten habe ich zu einem Objekt solch ein zwiespältiges Verhältnis innerhalb von zwei Jahren durchlebt. Bei der Geburt von Viktor gab die Schwiegermama uns den Rat, dass wir unbedingt und unter gar keinen Umständen auf einen Schnuller verzichten sollten, da sie ihren Kindern aus damaligen Erziehungsratgebern heraus keinen gab und es die Hölle auf Erden laut ihr war. Als sie später versuchte, ihn aus Verzweiflung ihren Kindern doch noch schmackhaft zu machen, war es zu spät und eine Zahnspange brauchten sie trotzdem. Ein Buch (Das glücklichste Baby der Welt) bestärkte uns in diesem Gedanken und so stand es außer Frage, dass Viktor einen Schnuller bekam. Vor allen Dingen: Besser Schnuller als Daumen nuckeln.
Ohne den Schnuller, wären Lisa und ich wahrscheinlich bereits noch älter, grauer und nervlicher am Ende. In den meisten Situationen konnte der Schnuller ein schreiendes Stück Unglück in ein entspanntes Bündel Glück verwandeln. Zwischendurch hätten wir dem Erfinder am liebsten einen Nobelreis für die Kategorie Friedensbemühungen postum verliehen. So sehr liebten wir das kleine Stück Kunststoff.
LIEBTEN. Denn ab dem zweiten Lebensjahr des Kindes wurde unsere Beziehung zu dem guten Stück ein wenig — nennen wir es mal schwierig. Schwierig insofern, da die Zahnärzte die Alarmglocken läuten und man selbst das Gefühl hat, dass der eigene Zwerg eigentlich zu groß dafür ist. Er sieht das natürlich ganz anders und seine Liebe zu diesem Gegenstand ist unerschütterlich und schon mal gar nicht mit materiellen Ersatzgegenständen zu erkaufen. Irgendwie findet man das sogar moralisch betrachtet einen feinen Zug von ihm, denn es spricht für den Zwerg, dass er seine romantische Beziehung zu seinem Schnuller nicht gegen ein Auto oder Kuscheltier eintauschen möchte.
Doch viele Faktoren geben Dir recht: Dein Kind kann nicht nur laufen, sondern versucht mehr oder weniger leidlich zu sprechen. Das führt dazu, dass es mit Schnuller im Mund nur schwerlich reden kann und Du Dir denkst: „Hm, wie werde ich dieses Dingen los ohne, dass mein Nachwuchs über Wochen Tobsuchtsanfälle hat und die Nacht zum Tage macht“.
Wir wollten einen Urlaub für die Entwöhnung tagsüber nutzen. Wir sagten ihm dort, dass der Schnuller nur noch im Bett genutzt werden darf und sobald er aufsteht, muss er ihn in eine Schale legen. Sobald er trotzdem tagsüber nach ihm verlangte, erklärten wir Viktor, dass er ja wisse, dass er dann ins Bett müsse. Nach ein paar Tagen hatte er die neuen Regeln akzeptiert und fragte noch nicht einmal mehr danach. Denn ins Bett gehen, wenn man draußen super Sandburgen bauen konnte, kam schon mal gar nicht in die Tüte.
Zwei Monate später dachten wir, jetzt wo er in der Kita noch nicht einmal mehr zum Mittagsschlaf einen Schnuller benötigt, wäre der große Augenblick der Komplett-Entwöhnung gekommen.
Wir fragten sechs Freunde im Rat und erhielten genauso viele Tipps. Ich ahnte, dass das Thema mich länger beschäftigen wird. Wir begannen unserem Sohn Geschichten von der Schnullerfee zu erzählen. Mit mäßigem Erfolg. Er war nach einer Woche Berichterstattung über die Geschenke der Schnullerfee am nächsten Morgen zwar heiß wie Lumpi darauf seinen Schnuller am Abend in eine Kiste zu verpacken und an die Fee zu versenden, änderte seine Meinung aber bereits nach einer Stunde. Gutes Zureden endete mit einem Heulkrampf bis man die Schnullerfee anrief und bat, dass sie das Paket umgehend wieder zurückschicken müsse und ihr doofes Geschenk behalten soll.
Viktor war ziemlich genau 2 Jahre, als er beschloss, dass es nun doch soweit sei und er keinen Schnuller mehr benötigt. Einfach so. Aus dem Nichts. Nach einigen Wochen verlangte er wieder danach. Damit hatten wir gerechnet, denn viele Freunde erzählten uns, dass es immer wieder Situationen (wie Krankheiten, Alpträume, etc.) gibt, in denen die Zwerge diesen wunderbaren Beruhigungsfreund verlangen. In diesen Augenblicken müsse man konsequent bleiben.
Wir entschieden uns dafür, dass wir mit Viktor besprechen, dass er für Notfälle einen Schnuller bekommt. Sprich wenn er krank ist, neue Babys in die Kita kommen oder er Angst hat – aber auch das nur in seinem eigenen Bett. Das funktioniert überraschend gut. Nächster Step: Windeln loswerden. Das wird auf jeden Fall noch einmal richtig lustig. #IWillKeepYouInTheLoop