ZWERGENAUFSTAND: WENN ALLES KOMPLIZIERT WIRD
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Wir haben irgendwie die Ausfahrt verpasst, als der Zwergenaufstand begann. Viktor wollte mit 2 Jahren plötzlich erwachsen werden und alles, aber wirklich alles selbst machen und entscheiden.
Männer, ich sage es euch ohne Umschweife: Um den 2. Geburtstag Deines Kindes beginnt der eigentliche Ernst des Lebens. Alles davor war Kinderkacke. Echt. Ein Ponyhof für absolute Beginner.
Ich würde sogar behaupten, dass es bei Mädchen sogar einen Tacken früher beginnt. Die sind nämlich a bissle schlauer und haben es schneller raus mit der Kommunikation. Die Zwerge fangen an zu sprechen und gleichzeitig entdecken sie ihren Willen und merken, dass Entscheidungen gefällt werden können. Mal zu ihren Gunsten – und mal eben nicht. Und da ist der stinkige Hasenfuß versteckt. „NICHT“ finden die Zwerge NICHT so gut. Nur, wenn SIE das selbst so entscheiden.
Plötzlich wird alles unglaublich kompliziert: Das Anziehen, das Essen, das Einschlafen, das Ausschlafen, das Windelwechseln, das auf dem Stuhl sitzen, das ins Auto gehen, das aus dem Auto aussteigen, das Trinken aus dem roten Becher, das Trinken aus dem blauen Becher, die Kindergabel ist doof und wird gegen die große Gabel ausgewechselt…
Und als ob das nicht bereits alles genug Zwergenaufstände seien, hat Viktor auch noch beschlossen, dass Schnuller, Schlafsäcke und Windeln für Babys sind und er nun auch kein Gitterbett mehr benötigt. Alles Dinge, die wir natürlich grundsätzlich begrüßen, doch bitte nicht alles auf einmal und dann auch noch mit so lästigen Begleiterscheinungen wie Papa doof finden, jede Handlung mit Schreien und Stampfen mimisch untermauern sowie 3 Stunden früher wach werden (WACH, heißt WACH und spielen wollen…der Wecker sagt 5 Uhr by the way).
Ich erzähle Dir das nur, damit Du schlauer bist als wir, wenn es soweit ist, nicht um Mitleid zu erheischen. #daslebenisthartundungerecht
Als Viktor ein neues Level erreicht hatte und täglich um 5 bzw. 6 Uhr aufstehen wollte und keinerlei Widerrede mehr akzeptierte (das war ungefähr nach 11 Tagen), stand uns die Verzweiflung und die tiefblauen Augenränder ins Gesicht geschrieben. All die guten Tipps der anderen Eltern und Foren halfen bei ihm nicht — NULL: Gebe dem Kind ein Fläschchen, etwas zu essen, nehme es mit ins Elternbett, bringe ihn früher oder später ins Bett, lasse den Mittagsschlaf weg, habe Verständnis, gebe ihm keinen Zucker mehr nach 14 Uhr, lasse ihn keine salzigen oder scharfen Gerichte essen, wechsle die Bettwäsche, mache den Raum dunkler bzw. heller mit einem Nachtlicht…“Das ist eine Phase” — dieser “Rat” kam wahrscheinlich der Wahrheit am nächsten. #wannhörtdaseigentlichaufmitdenverkacktenphasen
Wir waren wirklich am Ende. Klar, gab es immer Eltern, die uns versuchten aufzumuntern mit so Sätzen wie „Es könnte schlimmer sein, immerhin schläft er von 19.30 Uhr bis 5.30 Uhr im Schnitt durch. Stelle Dir mal vor, er würde um Mitternacht auch noch einmal hellwach sein“…Ich gebe aber zu, dass wir in keinster Weise bereit waren diesen aktuellen Status zu akzeptieren. Das Thema ändere Dich selbst, indem Du einfach um 21 Uhr ins Bett gehst und dann ist alles halb so wild stand also nicht zur Debatte.
Lisa und ich waren uns einig, dass wir handeln müssen. Wir lasen innerhalb kürzester Zeit Bücher über Kinder, ihre Entwicklung, über Urvölker, aber auch neurologische Ansätze, um herauszufinden, wie wir aus dem Zug nach Nirgendwo wieder aussteigen können und wieder auf unser Traumschiff gelangen.
Das Ziel war also klar definiert, der Weg dorthin leider noch nicht.
Die erste Erkenntnis gleich vorweg: Wir hatten unseren alten Weg der Rituale verlassen, da Viktor und sein Schnelldurchlauf von Baby zum Kind uns überrumpelt hatte. Wie soll ich es sagen?! Er wachte eines Morgens auf und hatte beschlossen für sein Leben selbst Entscheidungen zu treffen. Ich hingegen waren noch im Modus „Mein kleines Baby kann zwar laufen und sprechen, aber solange da ein Schnuller drin steckt und es in die Windeln kackt, hat der keinen eigenen Willen, basta“.
Nach ungefähr 14 Tagen hatten wir den Durchbruch – unter anderem durch einen Abend-Parkour und Bud the Buddy.
Der zu absolvierende Parkour startete abends im Bad mit dem Ausruf „PARKOUR“ und einem klaren Ablauf vom Umziehen, Zähneputzen, auf die Toilette gehen, Buch lesen, etc. Ohne Ausnahme. Sprich wir sind nicht mehr wie die Irren mit der Zahnbürste hinter ihm hergerannt und haben zur Not die Zähne im Bett geputzt.
Und unser besonderer Gast und aktueller Star jeder Kinderzimmerbesichtigung Bud the Buddy? Dieser neue VIP ist ein wahrer Freund und ganz wichtig: ein Magic Mastermind (kurz MM). Er kann nämlich durch das geschlossene Rollo erkennen, ob die Sonne scheint oder der Mond am Himmel steht. Großes Kino und Viktor liebt es zu wissen, wann der Tag beginnt, um zu uns zu rennen, wenn es soweit ist. Dass wir heimlich bestimmen, wann die Sonne in der Woche, am Wochenende und im Urlaub aufzugehen hat, muss er ja nicht wissen. #AllesEineFrageDerZeitBisErDasRausHat
Besonders zwei Bücher waren dabei im Nachhinein betrachtet hilfreich und brachten viele Dinge auf den Punkt sowie Lösungsansätze mit Potenzial:
„Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn: Der entspannte Weg durch Trotzphasen“ von Danielle Graf und Katja Seide
„Das glücklichste Kleinkind der Welt: Wie Sie Ihr Kind liebevoll durch die Trotzphase begleiten“ von Dr. Harvey Karp (Autor), Karin Wirth (Übersetzer)